Achtklässler sind schon nahe dran, sich ihren Berufswunsch zu überlegen. Dennoch haben sie in diesem Alter auch noch viele andere Gedanken im Kopf, als sich mit den Noten oder ihrer beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen. Sie sind in der Pubertät, was eine Menge an Gefühlen und Hormonen freisetzt. Das Bildungswerk MV e.V. suchte noch Unternehmen, die in den 8. Klassen verschiedene Berufsfelder vorstellen – im Rahmen vom genderorientierten Berufsorientierungsunterricht. So wurde ich über ein in Schwerin ansässiges Unternehmernetzwerk zur IGS Berthold-Brecht-Schule nach Schwerin empfohlen. Zur Aufgabe machte ich es mir, die Schüler, sowohl Mädchen als auch Jungen, natürlich erst einmal kennen zu lernen. Was steckt hinter jedem Einzelnen? Und vor allem: Was steckt in ihnen? Denn nichts ist schlimmer, als stupiden, linearen Unterricht zu geben, um dann wieder zu gehen (meine Meinung). Da wir -die Schüler/-innen und ich- mehrere gemeinsame Einheiten zusammen hatten, konnten wir uns diese Zeit auch nehmen.
Meine Erfahrungen mit den Mädchen und Jungen waren grundverschieden. Bei den Jungen kam ich rein, der Fachlehrer stellte mich kurz vor und dann kam ich schon zu Wort und erzählte einige Dinge von mir; zumal ich auch gleich eine Vertrauensbasis aufbauen wollte. Im Anschluss fing ich dann an, die Jungs zu fragen: Wer sie sind, was sie gerne machen, nach ihren Hobbies und welchen Berufswunsch sie eventuell schon haben und ob sie sich schon einmal mit Kunst beschäftigten.
Sie nannten mir ihre Berufswünsche, die vom Finanzberater, dem Lkw-Fahrer, über den Bauleiter, der Tätigkeit im Sozialwesen, bis hin zum Mechaniker oder dem Panzergrenadier reichten. Der Erste von insgesamt sieben Jungs fing zögerlich an. Er nannte mir seinen Namen, seinen Berufswunsch – und dann war schon Schluss. Der Zweite erzählte ähnliche Dinge und ich stellte gleich die Frage, ob er sich mit Kunst schon einmal beschäftigt hat. Daraufhin verneinte er, überlegte kurz und erwähnte leise, dass er Graffiti macht. Und siehe da: Genau dies war die Verbindung zur Kunst. So kam eines zum anderen und fast alle Jungs sprachen nun unverblümt von Graffiti. Die Erkenntnis, dass das Graffiti Kunst ist, kam somit in den ersten Minuten und wir hatten eine Menge Gesprächspotential.
Ich war neugierig und wollte natürlich mehr wissen, wie sie beim Graffiti vorgehen und vor allem, wo sie es machen. Graffiti ist bei den meisten Menschen nur negativ behaftet, jedoch war ich überrascht, dass es legale Plätze dafür gibt. Die Jungs beschäftigten sich schon sehr lange damit und erzählten, dass es sogar eine Internetseite für die legalen Plätze gibt. Das heißt für mich auch, dass sie verantwortungsvoll sind. Sie belesen sich, probieren in ihrer Freizeit viel aus, um mehr zu lernen, mehr zu wissen, was in der Graffiti Szene wichtig ist. Auch die Gruppendynamik war toll mit anzusehen, denn im darauffolgenden Termin brachte ich Farben und zwei Leinwände mit. Selbstständig teilten sie sich in zwei Gruppen auf und waren gemeinsam kreativ. Was dort entstanden ist seht Ihr hier:
Einer der Jungs war alleiniger Künstler. Er liebt den
Nahverkehr und alle Züge des Fernverkehrs. Diese zeichnet er mit Bleistift vor,
um sie dann regelmäßig in seiner Freizeit mit Filzstiften nachzuzeichnen. Und dies
führte er, hier im Berufsorientierungsunterricht, mit Verve fort. Alle anderen
Jungs widmeten sich den Acrylfarben und den Leinwänden. So viel zu den Jungs.
Auch das Arbeiten mit dem Mädchen war spannend und interessant. Sie waren am ersten Tag lediglich zu zweit – und dennoch konnten wir hervorragend miteinander reden und uns kennenlernen. Von diesen beiden Mädchen erfuhr ich, dass eine von ihnen Kinderärztin werden möchte und die andere Tierpflegerin. Mit Kunst beschäftigten sich beide eher wenig. Ein Mädchen schaut sich öfter Videos auf Youtube an und zeichnet ab und zu Mangas und Comics nach. Jedoch sind beide nicht in die Kunst vertieft. Auch hier gab es natürlich einen zweiten Termin, an welchem Kreativität und Farbenwirrwarr auf dem Plan standen; sehr zur Begeisterung der Gruppe – was mich natürlich ungemein freute und auch stolz machte, diese Kinder zu erreichen. Zum nächsten Termin (wieder eine Woche später) vervielfachte sich die Anzahl der Mädchen nochmals. Hierbei sind tolle, sehenswerte & kreative und phantasiereiche Werke entstanden und auch in diesem Blog zu sehen.
Der Abschlusstag war auch noch mal richtig spannend und interessant: Dadurch, dass Graffiti ein sehr großes Thema im BO–Unterricht war, entschieden der Fachlehrer und ich, dass am letzten Tag durch Graffiti mittels Farbspraydosen Kunst gestaltet wird. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie groß die Freude darüber war. Spannend zudem, dass sich auch einer der Fachlehrer dafür interessierte und sehr kreativ war. Er stand den Schülern & Schülerinnen in punkto Energie, Spaß & kreativer Ausgelassenheit in nichts nach! Die Ergebnisse zeige ich natürlich sehr gerne weiter unten.
Mein Fazit: Kinder/Schüler können so viel mehr; wir müssen ihnen nur vertrauen, ihnen Raum geben und (vielleicht mehr) mit ihnen reden.
Ich bin dankbar für diese grandiose Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk MV e.V. und den Fachlehrern der IGS Bertolt-Brecht-Schule.